Künstliche Intelligenz und Robotik in der Kulturvermittlung

21.04.2021 Katharina Hauck

© Unknown, CC0 by 1.0 Universal

Es ist der Stoff, aus dem Dystopien sind: Schreckensszenarien über Künstliche Intelligenzen (KI), die sich jeglicher menschlichen Kontrolle entziehen. Roboter, die vom Geschöpf zum Schöpfer werden. Computer, die den Menschen beherrschen. Fernab von solchen Geschichten liegt die gegenwärtige Forschung und Entwicklung Künstlicher Intelligenz, die vor allem ein Ziel verfolgt: Das Leben der Menschen zu bereichern und zu erleichtern. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Anfänge der KI und stellen uns die Frage, wie sich mit ihrer Hilfe Kulturvermittlung heute und in Zukunft gestalten lässt. 

1956 nutzte der US-amerikanische Informatiker John McCarthy auf einer Konferenz am Dartmouth College zum ersten Mal den Begriff „Artificial Intelligence“ (dt. Künstliche Intelligenz), um die simulierte menschliche Intelligenz von Maschinen zu beschreiben. Dabei hatte McCarthy nicht etwa einen Prozess im Sinn, der ganz ohne menschliches Zutun erfolgt. Bei der Erstverwendung des Begriffs „ging es darum: eine Maschine sich so verhalten zu lassen, dass man dieses Verhalten ‚intelligent‘ nennen würde, wenn es von Menschen käme.“1 Damit implizierte der Informatiker jedoch nicht, dass die Maschinen freie Entscheidungen treffen können, die unabhängig von menschlich gegebener Steuerung wären.

 
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Künstliche Intelligenz beruht auf Maschinenlernen. Dabei werden künstliche neuronale Netzwerke erschaffen, deren Signalweitergabe an die biologischen Nervenzellen angelehnt ist. Anhand von Trainingsdaten, mit denen die Maschinen in großen Mengen gefüttert werden, lernen sie nach einiger Zeit, Muster und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen.  Sprachsysteme wie Siri (Apple) oder Alexa (Amazon) werden dabei als schwache KI kategorisiert, da sie nur für eine spezifische Aufgabe trainiert und entwickelt werden. Sogenannte starke KI dagegen kann auch vor unbekannte Aufgaben und Probleme gestellt werden, die sie mit angelernten Fähigkeiten zu lösen vermag. Sie stellt Computerprogramme dar, welche die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns imitieren, da sie Wissen aus Erfahrung generieren und dieses Wissen situativ und lösungsorientiert einsetzen können. KI, die der Definition starker KI vollständig gerecht wird, gibt es bisher jedoch noch nicht.  

Ein großer Unterschied, der die KI (noch) von der menschlichen Intelligenz trennt, ist, dass die computerbasierten Netzwerke zwar Korrelationen, jedoch keine Kausalität ausmachen können. Dafür können die KI-Systeme Muster in Daten sehr viel effizienter erkennen, als es Menschen möglich ist. KIs sind dabei keine eigenmächtigen Systeme, sondern gut trainierte Gedächtnisse. KI wird in jüngerer Zeit häufiger  im Rahmen des Baus  von Robotern eingesetzt. Früher wurden Roboter hauptsächlich als Hilfsmittel für mechanische Arbeiten im Maschinenbau bzw. der Industrie herangezogen. Mittlerweile sollen diese jedoch auch in sozialen Umgebungen kommunizieren und interagieren können. Dazu wird auf KI zurückgegriffen, damit die Maschinen lernen, sich in der menschlichen Umwelt zu orientieren.

 

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Der Einsatz von KI und Robotik in Kulturinstitutionen

Auch in Kulturbetrieben rückt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz immer weiter in den Fokus. Während in den vergangenen Jahren in vielen Ausstellungen auf die Weiterentwicklung von Robotik und KI aufmerksam gemacht wurde, ist auch der direkte Einsatz der Technologie innerhalb von Kulturinstitutionen zu beobachten.

Das Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn hat mittlerweile bereits zwei Roboter in seiner Ausstellung im Einsatz. PETER – schon seit 2013 im Museum unterwegs – und PETRA – 2014 dazu gestoßen – fungieren als Service-Guides. PETRA, mit einem Steampunk-Outfit ausgestattet, wird im 1. Stock des Museums eingesetzt und erläutert vor Ort per Sprachfunktion ausgewählte Exponate oder spielt mit jüngeren Museumgästen in der Ausstellung verstecken. PETER führt Besucher:innen durch das 2. Obergeschoss, klärt diese über Computer, Handys und Internet auf und bietet via Touchscreen ein Multiple-Choice-Quiz an. Die beiden Roboter sind mit Laser, Kamera und bewegungsempfindlichen Sensoren ausgestattet, die ihnen helfen, sich zu orientieren und Hindernissen auszuweichen. Jedoch ist die Interaktionsfähigkeit der beiden Guides noch extrem eingeschränkt.

Am 22. Oktober 2020 wurde im Kulturquartier Linz  die Ausstellung „Ex Machina – Kunst & Maschine“ eröffnet. Einmal stündlich gab Roboter-Mitarbeiter SCITOS eine Führung, die sich mit der Symbiose von Mensch und Maschine, mit Robotik, Lichtkunst und Performance beschäftigt. SCITOS begleitete Besucher:innen zu den Exponaten und bot dem Museum die Möglichkeit, auch unter Pandemiebedingungen Führungen anzubieten. Der Roboter wurde per Touchscreen von den Besucher:innen aktiviert und begann seine Führungen pünktlich zur vollen Stunde. Er begrüßte die Teilnehmer:innen, lotste sie von Exponat zu Exponat und gab wesentliche Informationen zur Ausstellung preis. Zusätzlich zu SCITOS wurden in den Führungen Museumsmitarbeiter:innen über Hologramm-Folien neben einzelnen Ausstellungsstücken zugeschaltet, um ihn bei der Tour zu unterstützen und Fragen zu beantworten, denn SCITOS selbst kann das noch nicht.

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Eine weitere Form der KI-Anwendung in der Kulturvermittlung fand sich bis Anfang des Jahres im Berliner PalaisPopulaire Forum, in welchem regelmäßig interdisziplinäre Ausstellungen und Veranstaltungen aus den Bereichen Kunst, Kultur, Literatur oder Musik zu sehen sind. Besucher:innen konnten beim Durchforsten der Fotografie-Ausstellung Time Present mit der KI MIA in einen digitalen Dialog treten. MIA steht für Museum Intelligent Assistant und ist ein lernendes Computerprogramm, eine schwache KI also. Sie wurde in die Museums-App integriert und kann zu Beginn eines Besuches auf das eigene Smartphone geladen oder per Leihgerät genutzt werden. MIA bot per Chat-Funktion Hintergrundinformationen zu neun Fotografie-Exponaten der Ausstellung an. Sie besitzt keine eingebaute Sprachfunktion, um die Besucher:innen beim Betrachten der Ausstellungsstücke nicht zu stören. Ihre Datenbasis wurde ihr vom Kurator:innen-Team des Hauses bereitgestellt, weshalb sie nicht auf Internetdaten zugreifen kann und im Zuge dessen nur einen begrenzten Wissensschatz besitzt. Dennoch konnten ihr Fragen per Chat gestellt werden, auf die sie im Rahmen ihrer (programmierten) Möglichkeiten zu antworten versucht. Wie KI beim Kuratieren helfen kann und ob sich hieraus ein echter Mehrwert ergibt, wird gerade auch auf der Plattform nextmuseum.io diskutiert und getestet (Vgl. Artikel nextmuseum.io – Eine Plattform, die das Museum neu denken will). Zudem wird im Kulturbereich aktuell auch mit kreativer KI experimentiert. Kreative KI, das sind Roboter, die Portraits oder Gemälde erstellen, Algorithmen, die Musik komponieren oder auch Künstliche Intelligenz, die lernt Literatur zu schreiben. Die Frage, die sich bei kreativen künstlich-neuronalen Netzen jedoch immer wieder stellt, lautet: „Sind sie wirklich selbst kreativ oder imitieren sie nur menschliche Kreativität?"2

In Kulturinstitutionen kann Künstliche Intelligenz neben der direkten Kommunikation mit Besucher:innen auch für weitere Zwecke hilfreich eingesetzt werden. Beispielsweise kann sie bei der Recherche und Datenaufbereitung wichtige Dienste erledigen. Denn der hohe Aufwand sowie die umfangreichen Datensätze, die beim digitalen Kuratieren anfallen, stellen Mitarbeiter:innen der Kulturhäuser vor zeitintensive Arbeitsprozesse und hohe finanzielle Aufwände. Durch den fortschreitenden Prozess der Digitalisierung von Kulturdaten kann mittlerweile auch KI an diesem Punkt eingesetzt und zur automatischen Informationsextraktion, zur Klassifikation von Inhalten oder zur Objekt- und Bilderkennung genutzt werden.3

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Herausforderungen des Einsatzes und ein Ausblick in die Zukunft

Es zeigt sich, dass der Einsatz von KI sowohl in Bereichen der Vermittlung und Präsentation, als auch in der digitalen Kommunikation von Kulturhäusern großes Potential birgt. Gerade aber in der Kulturvermittlung sowie im sozialen Umgang mit Menschen sind KI und Robotik noch nicht so weit, dass sie ohne Probleme in Interaktion treten können. Noch ist die Künstliche Intelligenz zu großen Teilen auf menschliche Hilfe angewiesen, gerade was das Reagieren auf (unerwartete) Nachfragen betrifft, wie das Beispiel MIA zeigt. KI stößt dort an ihre Grenzen, wo Menschen sich auf verschiedenste Art und Weise mit Problemlösung beschäftigen würden und von Mustern abweichen.

Bis 2025 will der Bund drei Milliarden Euro in die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz investieren und ca. einhundert neue Professuren für den Bereich schaffen. Wir schauen gespannt auf die Entwicklungen und Innovation, die sich daraus ergeben. Einige Probleme von Künstlicher Intelligenz werden sich im Zuge intensiverer Forschungsarbeiten und neuen innovativen Entwicklungen mit Sicherheit lösen lassen – abschließend stellt sich allerdings noch einmal die Frage: Kann Künstliche Intelligenz – können Roboter – das Museumspersonal ersetzen?

Es ist schwer einzuschätzen welche sozialen Kompetenzen KI (-Roboter) in Zukunft erreichen werden. Sicher ist aber, dass es nach wie vor einen Unterschied macht, ob ein Mensch oder ein KI-System für die Vermittlung kultureller Inhalte eingesetzt wird. Besucher:innen lassen sich ganz unterschiedlich auf das KI-Angebot ein. Momentan stehen viele Robotern noch sehr skeptisch gegenüber, aber auch das kann sich ändern. Was Roboter und infolgedessen auch KI nicht leisten kann ist die Herstellung individuellen menschlichen Kontakts. Denn durch die einseitige Orientierung an Mustern und Gewohnheiten ist es Künstlicher Intelligenz nicht möglich, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen, die vom Muster abweichen. Hier fehlt die Flexibilität menschlicher Museumspädagog:innen und die Fähigkeit, zwischenmenschlichen Kontakt herzustellen. Zudem ist die Entwicklung und somit der Einsatz von KI-Systemen teurer als das menschliche Personal und muss sich dementsprechend für Kulturinstitutionen lohnen. Doch gerade die Covid-19-Pandemie und die damit einhergehende Suche nach alternativen Vermittlungsformen regt vermehrt zum Nachdenken über den Einsatz von Robotik und KI an. Wie Künstliche Intelligenz Kunst und Kultur in den nächsten Jahren transformieren wird, bleibt jedenfalls mit Spannung zu erwarten.

Ab November 2021 lässt sich Künstlicher Intelligenz und ihre Auswirkungen auf Alltag und Arbeitswelt auch in einer Ausstellung der DASA-Arbeitswelt in Dortmund begegnen. Mit Hinblick auf die aktuelle Relevanz des Themas, blicken wir erwartungsvoll auf die interaktiv gestaltete Ausstellung und die damit einhergehenden (Zukunfts-)Perspektiven auf KI.

 

 

 

 

Volland 2019, S. 31.

Ebd., S. 30. 

3 Vgl. Ebd., S. 137.

 

Literatur:

VOLLAND, Holger (2019): Künstliche Intelligenz in der Kultur – Die kreative Macht der Maschinen. In: GOLGATH, Tabea (Hrsg.) (2019): Link. Kultur Gestaltet Zukunft. Künstliche Intelligenz in Kunst und Kultur. Hannover: Stiftung Niedersachsen. S.28-35.

BERGER, Armin (2019): Mit Künstlicher Intelligenz die Kulturarbeit revolutionieren. In: GOLGATH, Tabea (Hrsg.) (2019): Link. Kultur Gestaltet Zukunft. Künstliche Intelligenz in Kunst und Kultur. Hannover: Stiftung Niedersachsen. S. 134-141.