„Coding da Vinci" in der Westfalen-Ruhrgebiet-Edition

21.10.2019 Laura-Marie Krampe

© Uwe Grunewald / CC BY 3.0

Coding da…was?

Am Wochenende des 12. September verwandelte sich die Zeche Zollern in Dortmund in einen einzigartigen Kreativraum: Im Rahmen des Kulturhackathons „Coding Da Vinci“ kamen Kulturakteur*innen und technisch interessierte wie versierte Profis und Laien zusammen, um Kulturvermittlung gemeinsam neu zu denken. Ziel des Formates ist es, Kulturinstitutionen, Kreative und Coder:innen zusammenzubringen, um offene Kulturdaten in innovative digitale Anwendungen zu verwandeln. Der Name Hackathon, eine Wortschöpfung aus „Hack“ und „Marathon“, ist dabei Programm: Während bei anderen Hackathons innerhalb von nur 48 Stunden getüftelt und entwickelt wird, stehen den Teilnehmer:innen bei „Coding da Vinci“ immerhin acht Wochen zur Verfügung.

Die Idee zu diesem ungewöhnlichen Format stammt aus Berlin, wo der Hackathon 2014 ins Leben gerufen wurde.1 Wie erfolgreich er seither ist, zeigt sich an seiner Dauerhaftigkeit: 2019 tourt „Coding da Vinci“ bereits in achter Auflage durch Deutschland. Unter der Leitung regionaler Projektteams finden jedes Jahr ein bis zwei Hackathons statt. Die diesjährige Regionalausgabe Westfalen-Ruhrgebiet befindet sich nach dem Kick-Off nun ihr ihrer heißen Phase. Federführend für die Durchführung sind das LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, das Kulturbüro Münsterland e.V. und das OWL-Kulturbüro.

Open Data in der Kulturarbeit: It’s getting serious!

Eine produktive Zusammenarbeit zwischen GLAMs und Tekkies – geht das? Es geht! Allerdings bedarf es einer gewissen Vorarbeit, um diese zwei Welten zusammenzubringen und vor allem, um eine gemeinsame Sprache zu finden.

Schon Wochen vor dem eigentlichen Start des Projektes wurden die Datengeber:innen daher in lokalen „Onboardings“ über die wichtigsten Aspekte eines Kultur-Hackathons informiert: Worum geht es? Welche Daten eigenen sich für das Format? Wie sollen sie aufbereitet sein? Und welchen Lizenzen müssen sie unterliegen? Besonders die Antwort auf die letzte Frage trieb den anwesenden Kulturakteur:innen die ein oder andere Schweißperle auf die Stirn. Denn bei „Coding da Vinci“ wird für offene Daten („open data“) in der Kulturarbeit geworben. Daten also, die frei von Lizenzen verwendet, verändert und verbreitet werden können. Dass dieser Anforderung, unter anderem vor dem Hintergrund von Urheberrechtsfragen, zuweilen nicht so leicht nachzukommen ist, machten die besorgten Gesichter sehr deutlich. Neben den rechtlichen Problemen spielten dabei vor allem Bedenken im Hinblick auf die Nutzung der Daten durch dritte eine Rolle. Die Hoheit und Kontrolle über den eigenen Datens(ch)atz abzugeben, fällt vielen Kultureinrichtungen – verständlicherweise – nach wie vor schwer.

Als weitere Hürde, vor allem für kleinere Häuser, erwiesen sich die technischen Voraussetzungen des Hackathons: Denn nur digitale Daten können von den Hackern weiterverarbeitet werden. Während gut ausgestattete Einrichtungen die Digitalisierung ihrer Bestände kontinuierlich vorantreiben, fehlt es vielen mittleren und kleinen Häusern an personellen und finanziellen Ressourcen.

Trotz dieser Hindernisse ließen sich 23 Kultureinrichtungen aus Westfalen und dem Ruhrgbiet von dem Mehrwert des Projektes überzeugen und zeigten ihre Bereitschaft, Teil des spannenden Experimentes zu werden. Und so trafen GLAMs und Tekkies am Samstag, den 12. September, erstmals aufeinander. Die Museen hatten dabei ihre Kulturdaten, die Hacker ihre Neugier und viel technisches Know-How im Gepäck.

  • LWL-Direktor Matthias Löb (zweiter von rechts) zusammen mit einem Teil der Veranstalter*innen: Konrad Gutkowski (LWL-Industriemuseum Zeche Zollern), Marie-Kristin Meier (Kulturstiftung des Bundes) und Philippe Genêt (Geschäftsstelle "Coding da Vinici" Berlin) (von links nach rechts)

    © Uwe Grunewald // CC BY 3.0

  • Die Bänk auf Zollern waren gut gefüllt.

    © Uwe Grunewald // CC BY 3.0

  • Nach den Vorträgen und Vorstellungen hieß es für die Teilnehmenden ins Gespräch zu kommen und kreativ zu werden.

    © Uwe Grunewald // CC BY 3.0

  • Es wurde fleißig diskutiert...

    © Uwe Grunewald // CC BY 3.0

  • ... und dabei manche neue Perspektive gewonnen.

    © Uwe Grunewald // CC BY 3.0

© Uwe Grunewald // CC BY 3.0

Rauchende Köpfe auf Zollern: Kick-Off zwischen Schacht und Förderturm

Am Kick-Off Wochenende auf Zollern präsentierten die Datengeber:innen in einer „One Minute Madness“ informatives und beeindruckendes, skurriles und lustiges, alltägliches und ungewöhnliches. Darunter Fotos translozierter Gebäude (LWL-Freilichtmuseum Detmold), Wissensfragen rund um den Bikini (ja, Bikini!) (BikiniARTmuseums), Schulwand- und Tafelbilder aus vergangenen Jahrhunderten (Museumsschule Hiddenhausen e.V.), Rubens-Grafiken aus dem Medici-Zyklus (Siegerlandmuseum im Oberen Schloss), Quellenquerschnitte zum Thema „Tod und Begräbnis“ (LWL-Volkskundliche Kommission für Westfalen), grenzübergreifende Alltagsgeschichten aus dem „prallen Leben“ (EuregioHistory), und Filmaufnahmen, mit denen der Amateurfilmer Emil Bremme zwischen 1920 und 1940 das bunte Sporttreiben in Winterberg dokumentierte (LWL-Medienzentrum für Westfalen).

Wem dieser „Wahnsinn“ zu schnell ging, der hatte im Anschluss die Möglichkeit, sich in 10-minütigen Kurzvorträgen etwas intensiver mit den Datensätzen zu beschäftigen. Gleich danach formierten sich Gruppen und Ideen, sodass bereits am Ende des ersten Tages Überlegungen zu AR und VR-Anwendungen, Web Apps und Games durch den Raum waberten.

Um die Kreativität weiter anzukurbeln wurden am zweiten Tag des Kick-Offs Good Practice-Beispiele vorgestellt. Neben den Macher:innen der „Apokalypse Münsterland“ sprachen hier auch Christian Ullenboom, Gründer des BINARIUM Dortmund, Felix Erdmann, Mitentwickler der OpenSenseMap und Till Rögers vom Kompetenzzentrum OpenData des Bundesverwaltungsamtes. Der Rest des Tages stand – dem Veranstaltungsort angemessen – ganz im Zeichen der Arbeit. So rauchten auf Zollern die Köpfe und die nebligen Visionen des Vortrags nahmen langsam Gestalt an.

© Uwe Grunewald // CC BY 3.0

In den nächsten acht Wochen heißt es nun: tüfteln, was das Zeug hält. Zwischen dem Kick-Off und der Siegerehrung am 6. Dezember im Dortmunder U finden sogenannte lokale "Meetups" statt, Treffen zwischen Datengeber:innen und Tekkies, auf denen Fragen gestellt, Probleme aus dem Weg geräumt und Ideen weiterentwickelt werden können. Ihre Vorschritte dokumentieren die Teams auf einem Hackdash, denn auch was die entwickelte Software betrifft wird eine „Kultur des Sharings“ propagiert.


Bis zum Finale am Nikolaustag ist also noch einiges zu tun. Wer sich den Gruppen nachträglich anschließen möchte oder selbst kreative Ideen zur Weiternutzung der freigegebenen Daten hat, kann sich jederzeit beteiligen. Auf die Gewinner:innen warten nicht nur tolle Preise: Stefan Batholomei von der DDB stellte eine attraktive Inkubationsförderung mit einer Gesamtsumme von 15.000€ für „CdV“-Projekte mit Potenzial in Aussicht.

 „Coding da Vinci“ lässt uns einen Blick in die Zukunft der Kulturarbeit werfen und ist daher nicht nur innovativ, sondern visionär. Das Format gibt einen Vorgeschmack auf eine Zukunft, in der das Querdenken in interdisziplinären Teams immer wichtiger wird, um auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren und mit den technischen Anforderungen der Zeit schritthalten zu können. Eine Zukunft, in der Kulturarbeit auf Augenhöhe betrieben wird, in der sich die Einrichtungen den Besucher*innen öffnen, partizipatorische Prozesse angestoßen werden und „Citizen Science“ keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung darstellt. Eine Zukunft, in der Transparenz auch im Kultursektor das oberste Gebot ist. Eine Zukunft also, nach der es sich für alle Kultureinrichtungen zu streben lohnt.

 


1 Zu den Gründer:innen des Formates gehören die Deutsche Digitale Bibliothek, die digiS, die Open Knowledge Foundation Deutschland sowie Wikimedia Deutschland.
2 GLAM steht als Akronym für „Galleries, Libraries, Archives, Museums“.

Bildnachweise:
Graphic Recording im Slider der Kopfzeile: Silvia Dierkes © Coding da Vinci Westfalen-Ruhrgebiet // CC BY 4.0