Im Wandel der Zeit – Das Museum als gesellschaftlicher Raum

27.08.2021 Katharina Hauck

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Viele Museen sind zentrale Orte ihrer jeweiligen Umgebung und nehmen direkten Bezug auf den sie umgebenden regionalen städtischen oder ländlichen Raum. Dadurch sind sie eng an die lokale Geschichte geknüpft und wie die Gesellschaft vor Ort permanentem Wandel ausgesetzt. Das stellt die Kultureinrichtungen vor die Herausforderung ihr Selbstverständnis permanent zu reflektieren und sich gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskursen zu öffnen, um die aktuellen Anliegen der Menschen abzubilden sowie einen Raum für neue Impulse zu schaffen. So werden die Museen dazu aufgerufen ihre Rolle in der Gesellschaft kontinuierlich zu hinterfragen. Mit diesen Herausforderungen konfrontiert eröffnete das Potsdam Museum im September 2019  gemeinsam mit der Kulturstiftung des Bundes im Zuge der dreitägigen Tagung ‚Smart Cities – Smart Museum?‘1 eine Plattform, welche Kulturschaffenden die Chance bot sich dem Wandel von Museen aus unterschiedlichen Perspektiven anzunähern – insbesondere dem Stadtmuseum als Ort innerhalb der Gesellschaft. Welche aktuelle Relevanz die Veranstaltung besaß, zeigte sich an der großen Anzahl an Teilnehmer:innen und Referent:innen unterschiedlicher Museen und Disziplinen aus ganz Deutschland. Inhaltlich wurde verschiedenen Fragestellungen nachgegangen und bspw. erörtert welche Rolle das Museum als Ort in der Stadtgesellschaft einnehmen kann, wie die Einwohner:innen in ihrer Diversität angesprochen oder wie Anreize und Projekte zur Partizipation und Interaktion realisiert werden können.

Das Smarte Museum

Das Adjektiv Smart im Titel der Veranstaltung ist wohl gewählt und impliziert, dass es bei diesem Diskurs sowohl um inhaltliche Themen als auch deren Verknüpfung mit digitalen Anwendungen und den Ausbau neuer Technologien geht. Smart ist eine Stadt im allgemeinen Verständnis dann, wenn sie „mittels Digitalisierung effizienter, nachhaltiger und fortschrittlicher“2 und infolgedessen als Lebensraum für die Bewohner:innen qualitativ lebenswerter gestaltet wird. Auf das Museum bezogen erweiterte Prof. Dr. Gesa Ziemer, Direktorin des CityScienceLab der Hafen City Universität Hamburg, diesen Terminus in ihrem Vortrag auf der Tagung wie folgt: Es bedarf den „Einsatz technisch-informativer Infrastruktur, um Museen effizienter, technologisch fortschrittlicher, kulturell nachhaltiger und zugänglicher zu machen. Das smarte Museum bietet neue Möglichkeiten der Kunst-/ Kulturvermittlung“3. Wichtig ist dabei im musealen Kontext insbesondere, dass sich die Ausstellungen und Sammlungen der Kulturinstitutionen nicht allein mit der Vergangenheit beschäftigen. Zwar ist diese Teil der regionalen Identität, gleichzeitig kann ein reiner Vergangenheitsfokus aber auch den Bezug zur gegenwärtigen Lebensrealität der Menschen verpassen. Das Museum muss sich also als Raum in der Zeit reflektieren und sein Selbstverständnis hinterfragen.

Herausforderungen an die Museen

Dieser Anspruch an die Museen ist kein neuer. Sie müssen sich dem gesellschaftlichen Wandel anpassen, um sich als städtische Orte weiterhin legitimieren zu können. (Stadt)Museen durchlebten im Laufe der Zeit immer wieder einen Wandel ihrer Rolle in der Gesellschaft. Die Wurzeln des Kulturhauses sind traditionsreich und lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. So geht die Bezeichnung Museum auf den „altgriechischen Begriff ‚mouseíon‘“4 zurück. Widmeten sich Kulturschaffende zunächst der Aufgabe Sammlungen aus privaten Kontexten einer öffentlich breiten Masse zugänglich zu machen sowie diese zu bewahren, um ein „Zusammenspiel von der eigenen Museumssammlung und der Öffentlichkeit“5 zu gewährleisten, so hat sich der Aufgabenbereich der Museen mit der Zeit immer weiter vergrößert. Es folgte der Anspruch eines Bildungsauftrags, um die Sammlungen und Exponate den Besucher:innen durch museumspädagogische Maßnahmen und Ausstellungen näher zu bringen. Gegenwärtig wird das Museum als Raum jedoch in noch viel größerem Maße herausgefordert. Die beschleunigte globale Gesellschaft fordert von den Kulturhäusern sich der Gegenwartsgesellschaft in verschiedensten Bereichen zu öffnen. Dabei zeichnen sich unterschiedliche Tendenzen ab, die das Museum als gesellschaftlichen Raum vor vielfältige Herausforderungen stellen.

Digitalisierung des Museums

Eine dieser Herausforderung ist die Digitalisierung des Museums. Diese beinhaltet unterschiedliche Facetten und reicht über die Objektdokumentation anhand von Digitalisaten sowie das Digitalisieren von Sammlungen6 bis hin zu digitalen und technisch modernen Anwendungen in der Museumspraxis. Je nach Bedarf und Ausrichtung des Kulturhauses ist dieser Prozess individuell geprägt und setzt eine spezifische Digitalisierungsstrategie voraus.  Digitalisierung ist für die einzelnen Kulturhäuser somit „mehr als der bloße Einsatz technischer Tools und die Bereitstellung digitaler Angebote“7. Die Umsetzung bedeutet den Einsatz hoher Ressourcen, Schulungen oder Einstellung neuen Personals und die spezifische Entscheidung, wie Digitalisierung das eigene Haus attraktiv gestalten kann, ohne sich vom eigenen Selbstverständnis zu sehr zu entfernen. Die Relevanz dieser Entwicklungsaufforderung ist durch die große Präsenz des Digitalisierungs-Themas im öffentlichen Diskurs schon längst im Museumskontext angekommen und ein Großteil der Museen hat sich bereits im digitalen Raum etabliert. So sind auf den bekannten Plattformen wie der Deutschen Digitalen Bibliothek oder Europeana viele Sammlungen bereits online zugänglich. Auf Ausstellungsstücke aus bestimmten Regionen lässt sich bspw. auch über den Katalog museum-digital zugreifen. Hier sind für die Region Westfalen neben vielen weiteren auch die Sammlungsobjekte des Jüdischen Museums Westfalen Dorsten oder des Stadtmuseum Hagen vertreten.
 

Museum als Forum

Doch die Digitalisierung ist nicht die einzige Herausforderung der sich die Museen stellen müssen. Das Museum als öffentlicher Raum sieht sich auch mit Veränderungen in Hinblick auf seinen Platz in der Gesellschaft konfrontiert. Wie auch die einzelnen Stimmen auf der Tagung 2019 zeigten, besteht die Tendenz das Museum als kollektiven Ort innerhalb der (Stadt)Gesellschaft zu verstehen, der sich aktuellen Gesellschaftsdiskursen öffnet und somit ein Forum für den Gegenwartsgeist bietet. Jutta Götzmann, Gastgeberin und Direktorin des Potsdam Museum, erklärte, dass ihr Museum die Bezeichnung Forum explizit in den Titel des Museums mitaufgenommen habe, um zu zeigen, dass sich das Haus der Stadtgesellschaft öffnet.8  Das Museum als Forum wahrzunehmen, vereinfacht es zudem die Kulturinstitution den Menschen zur kulturellen Teilhabe zu öffnen und Partizipation sowie Kollaborationen zu fördern. Auch vereinfacht es den Einbezug und die Repräsentation verschiedener Perspektiven innerhalb des Hauses, denn ist der Ort erst für gesellschaftliche Diskurse geöffnet, kann die Diversität von Perspektiven gefördert werden.
 

Museen in der cross-sectorialen Vernetzung

Museen können aber noch vielmehr sein als das. Eine Wandel des Selbstverständnisses kann auch durch die Vernetzung mit Institutionen aus anderen Gesellschaftsbereichen erfolgen. So können neue Impulse in den Museumsraum miteinfließen und dieser durch interdisziplinäre Kooperation eine breitere Sparte der Gesellschaft ansprechen. Das Historische Museum Frankfurt öffnet sich beispielsweise bereits seit mehreren Jahren den Einwohner:innen der Stadt und setzt im Zuge der Initiative Stadtlabor auf „eine Methode zur kollaborative[n] Stadterforschung“9. Im Stadtlabor werden Frankfurter:innen dazu eingeladen ihre Perspektive auf die Stadt sichtbar zu machen. Das Historische Museum arbeitete durch die Vernetzung mit verschiedenen Gruppierungen und Institutionen der Stadt eng mit den Bewohner:innen vor Ort zusammen und konzipiert so Ausstellungen, die die Lebensrealität der Menschen so wie polarisierende Themen wiedergeben wollen.

Das Museum der Gegenwart

„Das Museum der Zukunft ist kein Museum mehr“10. Was ist es stattdessen? Welchen Raum kann und soll es in der Gesellschaft einnehmen. Wie die aufgezeigten Beispiele zeigen kann es ein Forum, eine Plattform für aktuelle Themen mit engem Bezug zur Lebensrealität der Menschen sein und sich in kürzester Zeit an Entwicklungen anpassen. Auch die Pandemiezeit hat das aufgezeigt. Die Museen wurden in Rekordzeit in den digitalen Raum gedrängt. Gleichzeitig widmeten sich viele dringenden gesellschaftlich relevanten Fragen und setzten sich mit der Situation der Menschen in der Krise auseinander. Hat das Museum also mittlerweile seinen oben erörterten Platz in der Gegenwartsgesellschaft gefunden – Ist es smart geworden? Mit Sicherheit ein bisschen mehr als vor der Pandemie-Krise. Gleichzeitig muss die Entwicklung weitergehen, denn die einzige Konstante ist der Wandel.
 

 

 

1Genauere Informationen zu der Tagung finden sich hier.

2Prof. Dr. Gesa Ziemer (2019, 08.Oktober): Urbane Öffentlichkeiten und Praktiken von Teilhabe. Perspektiven für den Kultur- und Museumsbetrieb. In Vortragsreihe: Kulturstiftung des Bundes, Potsdam Museum: Smart Cities – Smart Museums? Stadtmuseen im kulturellen Wandel. [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=8IvNA6BpGQI&list=PLbXBC56qd4UJfxeP_nLjYwGmGkyC5rdxj&index=2

3Ebd.

4Holzmann, Katrin Louise (2016): Sammler und Museen. Kooperationsformen der Einbindung von privaten zeitgenössischen Kunstsammlungen in die deutsche Museumslandschaft. Wiesbaden. Springer Fachmedien, S. 45.

5Ebd.

6Vgl. dazu unseren Blog-Artikel zur Digitalisierung von Kulturgut. 7Schoder Angelika (2017, 02. August): Digitalisierung im Museum: Die Chance auf eine strukturelle Transformation. Die Digitalisierung im Museen und in Kulturinstitutionen bedeutet auch die Chance, eine strukturelle Transformation auf den Weg zu bringen.  URL: https://musermeku.org/digitalisierung-in-museen/.

8Podiumsdiskussion (2019, 08.Oktober): Wie kann das Stadtmuseum ein relevanter Ort für die Stadtgesellschaft im 21. Jahrhundert sein, bleiben oder werden? In Vortragsreihe: Kulturstiftung des Bundes, Potsdam Museum: Smart Cities – Smart Museums? Stadtmuseen im kulturellen Wandel. [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=7UYkw677-oA&list=PLbXBC56qd4UJfxeP_nLjYwGmGkyC5rdxj&index=3.

9Historisches Museum Frankfurt, Stadtlabor (2019, 01. August): Grundsätze der Zusammenarbeit im Stadtlabor. URL: https://historisches-museum-frankfurt.de/sites/default/files/uploads/spielregeln-stadtlabor_merkblatt_fuer_tn_190801.pdf.

10Titel der Impulskonferenz des Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe.