Makerspaces - Neue Kooperationsräume für Kultureinrichtungen?

20.08.2020 Katharina Hauck

© Unknown, CC0 by 1.0 Universal

"Wissen kommt von ... Machen!"
So lautet das Motto der SLUB Dresden. Die SLUB1 ist in erster Linie eine Bibliothek – doch sie ist noch viel mehr als das. Denn sie besitzt einen integrierten Makerspace und damit neben den üblichen Bibliotheksräumen einen Ort der Kreativität, des Lernens, des Austausches und der Vernetzung.
Makerspaces sind Vieles und doch nichts Bestimmtes. Es sind Räume, in denen Menschen selbst tätig werden können. Es sind offene Lern-Werkstätten, die meist auf Initiative von Personen entstehen, die sich für Technik und deren Funktionsweise interessieren, selbst aber keine Expert:innen auf diesem Gebiet sind. Es sind Orte, an denen außerhalb von Schulstrukturen und unabhängig von sozioökonomischen Faktoren wie Einkommen, Alter, Geschlecht oder kulturellem Hintergrund, Zugang zu Bildung und Innovation gefördert werden soll.
Dabei müssen die Räume der Selbsttätigkeit nicht immer Makerspaces heißen: ob Fablabs2, Hackerspaces, offene Werkstätten oder Reparatur-Initiativen – sie alle gehen aus der Maker-Kultur hervor und haben sich trotz unterschiedlicher Schwerpunkte denselben Prinzipien verschrieben: Hier geht es um das Reparieren, Produzieren, Eingreifen, Verändern, Gestalten oder Fabrizieren. Der Wunsch nach Nachhaltigkeit und die DoItYourself-Mentalität sind dabei die treibenden Kräfte: Wie können Technik und innovative Entwicklungen eine möglichst nachhaltige Beziehung zwischen Mensch und Umwelt ermöglichen und wie lässt sich unsere Zukunft auf der Erde verantwortungsvoll gestalten? Durch das (Selber-)Machen eignen sich Interessierte dieses Wissen Stück für Stück an und das nicht alleine, sondern in Gruppen und im Austausch mit anderen. Die Art der Aneignung von und der Umgang mit Wissen stehen dabei im Vordergrund.3

© Ilvy Njiokiktjien, CC BY-SA

 

Diverse Begegnungsorte & Wissensaustausch

Im sozialwissenschaftlichen Kontext ist mit dem Aufkommen der Makerspaces auch von der sogenannten Maker-Kultur als neuer Bewegung die Rede. Diese hat ihren Ursprung in den USA. Was dort als kleines Seminar an einer Universität begann, weitete sich bald zu einer internationalen Bewegung aus. Der erste Makerspace in Deutschland entstand 2009 an der RWTH Aachen. Mittlerweile gibt es in fast jeder größeren deutschen Stadt einen vergleichbaren Ort. So existieren unabhängige, gemeinschaftlich durch Vereine organisierte Makerspaces und solche, die institutionell angebundenen sind – oftmals an Universitäten oder Bibliotheken und damit an Orte, in denen der Zugang zu und die Aneignung von Wissen ohnehin höchste Priorität besitzen. Aus diesem Grund entstehen aktuell auch an vielen Schulen Makerspaces.
Sind die Makerspaces in Vereinen organisiert, finanzieren sie sich meist über monatliche Mitgliedsbeiträge. Maschinen und Werkzeuge werden durch die Nutzung und den Austausch von Open Source-Bauplänen in Eigenregie günstig hergestellt. Der Open Access- oder Open Source-Ansatz4, in dem es darum geht, Wissen zu teilen, für jede:n zugänglich und ohne Einschränkungen (weiter)nutzbar zu machen, ist in der Maker-Kultur von großer Bedeutung. Deshalb wird gemeinsam an Projekten gearbeitet und das im Austausch erworbene Wissen (v.a. Bauanleitungen) frei im Internet zur Verfügung gestellt. Die Maker-Community ist bunt gemischt. Insofern treffen in den Kreativorten meist Laien und Expert:innen mit verschiedenen Interessen und Spezialgebieten aufeinander, sodass interdisziplinär an Projekten gearbeitet werden kann und der gemeinsame Wissensschatz kontinuierlich erweitert wird. Entwicklungen unterliegen hier keinem Patent. Wissen ist ein Gut, das für alle frei zugänglich ist.

 

Mehrwert für den Kulturbereich

Orte des Ausprobierens halten auch für Kultureinrichtungen große Potenziale bereit. Bevor teure Anschaffungen getätigt werden, bieten Kooperationen mit lokalen Makerspaces eine kostengünstige Alternative, um neue Technik zu testen, sich wichtiges Know-How anzueignen und Projekte mit Hilfe der lokalen Maker-Community zu realisieren. So entstand unter anderem in Zusammenarbeit zwischen dem Industriemuseum Chemnitz und dem stadtansässigen FabLab ein Hangprinter, ein hängender 3D-Drucker, der die Thematik digitale Fertigung und Industrie 4.0 im Rahmen der Schauplatzausstellung „MaschinenBoom“ in den Fokus rückt. Die Bauanleitung des Druckers ist – wie in der Maker-Kultur üblich – frei im Netz verfügbar. So profitieren alle Seiten von der spannenden Kooperation. Auch das Projekt Apokalypse Münsterland konnte maßgeblich durch die Unterstützung des FabLab der Stadt Münster umgesetzt werden. Für die mobile Ausstellung wurden Exponate mithilfe eines 3D-Druckers nachgebildet und auf die Reise durch das Münsterland geschickt.
Zu den mittlerweile weltweit etablierten Kooperationsformaten zwischen Kultureinrichtungen und Makern gehören auch die sogenannten Hackathons. Bei Kultur-Hackathons (eine Neuschöpfung aus den Worten „Hacken“ und „Marathon“) kommen Kulturinstitutionen und Kreative aus der Programmier-, Design-, und Kunstszene zusammen. Gemeinsam verwandeln sie offene Kulturdaten innerhalb eines begrenzten Zeitraums in innovative digitale Projekte. Der bekannte Kultur-Hackathon Coding Da Vinci wird beispielsweise jährlich ausgerichtet. Die Idee zu dem Format stammt aus Berlin, wo Coding da Vinici 2014 erstmals an den Start ging. Seither macht der Hackathon in ganz Deutschland Station, so unter anderem im letzten Jahr auch in Westfalen und dem Ruhrgebiet (wir berichteten). Doch Hackathons können auch über Ländergrenzen hinweg funktionieren, wie der Forschungshackathon Yallah! – You are all Hackers zeigt. Erarbeitet wurde hier in Kooperation des FabLabs der Universität Siegen mit der Birzet University in Palästina eine gemeinsame Ausstellung zur Lösung lokaler Problemlagen mithilfe sozialer Innovationen. Ein weiteres kooperatives Projekt des FabLab Siegen kann im Siegerlandmuseum der Stadt bestaunt werden. Hier ist ein Stadtmodell aus dem 3D-Drucker entstanden, das mit Hilfe von Sensoren sogar interaktiv erfahrbar ist.

 

© Lukas Boxberger, CC BY

Makerspaces oder FabLabs sind Orte, die einen wesentlichen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenleben leisten können. Sie bieten zahlreiche Möglichkeiten des kreativen Austobens – und das ganz ohne Leistungsdruck. Dabei müssen nicht zwangsläufig Drucker, Fräsen oder Laser zum Einsatz kommen. Auch Nähmaschinen, Töpferateliers, Film- und Fotolabore oder Fahrradwerkstätten gehören zu den etablierten Makerspaces.
Um diese Orte besser kennenzulernen, lohnt es sich, an Tagen der offenen Tür, den sogenannten Open Lab Days, vorbeizuschauen. Hier können die Räumlichkeiten und Angebote genauer in Augenschein genommen werden. Für Kulturinstitutionen bietet sich dabei die Chance, die Kreativ-Oasen als Anlaufstellen für neue Projektideen, technische Fragen oder einfach für den kreativen Ideenaustausch zu nutzen und dabei auch interessierte Bürger:innen in kulturelle Fragen miteinzubeziehen. Noch wird diese Möglichkeit eher sporadisch in Anspruch genommen – doch die bisher realisierten, vielversprechenden Kooperationen lassen für die Zukunft auf eine produktive Zusammenarbeit hoffen.

 

 

 

1SLUB steht für Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek.

2FabLab ist die Abkürzung für Fabrication Laboratory und bezieht sich auf die Ausstattung der Orte als Werkstätten.

3Vgl.Christa Müller (Hg.), Karin Werner (Hg.), Andrea Baier (Hg.), Tom Hansing (Hg.) (2016): Die Welt reparieren. Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis. Transcript Verlag, Bielefeld.

4Open Source oder Open Access bedeutet, dass etwas frei, ohne Lizenzeinschränkungen, unentgeltlich und somit für jede*n zugänglich ist.