KULTUR
Innovative Formen medialer Kulturvermittlung
BEWEGT
Das gesellschaftliche Leben wird aktuell von der Corona-Pandemie bestimmt. Die Notwendigkeit der bisher getroffenen Maßnahmen steht dabei außer Frage: Es gilt, sich solidarisch zu verhalten und möglichst wenig Kontakt zu anderen Menschen zu pflegen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, sowie Risikogruppen aber auch sich selbst zu schützen. Für zahlreiche Wirtschaftsbetriebe und Selbständige in nicht-systemrelevanten Berufen bedeutet das die vorläufige Schließung. Besonders kleine Unternehmen trifft diese Maßnahme hart. Sie ringen um ihre wirtschaftliche Existenz. Daneben stehen auch Kulturinstitutionen und Kreative vor einer großen Herausforderung. In den Einrichtungen bleiben die Besucher:innen aus, Museen und andere Kulturräume werden zunächst bis zum 20.04. geschlossen und Veranstaltungen müssen abgesagt oder verschoben werden. Die meistgestellte Frage unter Kulturschaffenden lautet daher: Wie kann Kultur- trotz der Krise zu den Menschen gebracht werden? Einige Kultureinrichtungen haben sehr schnell reagiert und bieten ihren Besucher:innen ein virtuelles Ersatzprogramm für die Zeit der Schließung. Ihr Apell ist deutlich: Bitte bleibt, wo ihr seid. Die Kultur kommt zu euch!
Außergewöhnliche Zeiten – außergewöhnliche Maßnahmen
#KulturinZeitenvonCorona, #culturedoesntstop oder #closedbutopen: Dies sind nur einige der Hashtags, die die Suche nach virtuellen Kulturangeboten im Netz aktuell erleichtern. Auf ihren Social Media-Plattformen werben die Institutionen mit der entsprechenden Verschlagwortung für neue Formate. Und auch über ihre Websites halten Einrichtungen den Kontakt zu ihren Besucher:innen aufrecht: Der LWL ist dabei mit einem ganz eigenen Überblicksportal vertreten. Auf einer eigens eingerichteten Internetseite informiert der Träger fortlaufend über die digitalen Angebote seiner Einrichtungen. Darunter finden sich virtuelle Ausstellungsrundgänge, Instagram- und Facebook-Challenges, freier Zugang zu Medienbibliotheken, Podcasts, Digitorials und vieles mehr. Einige Angebote des LWL, aber auch anderer Einrichtungen, möchten wir hier noch einmal etwas genauer vorstellen:
Westfalien Medienshop
Bereits am 17. März öffnete das LWL-Medienzentrum für Westfalen den uneingeschränkten Zugang zu seinem Westfalen-Medien Shop. Im Download-Bereich stehen seither zahlreiche Dokumentationen, Kurzfilme und Reportagen zur Region und Geschichte Westfalens frei zur Verfügung. Die Resonanz auf das Angebot ist überwältigend – sogar der WDR berichtet in der Lokalzeit Münsterland über die kostenlose Möglichkeit, ein Stück westfälischer Kultur in das heimische Wohnzimmer zu bringen.
Social Media
Die LWL-Industriemuseen gewähren vor allem über ihre Social Media-Kanäle Einblick in die jeweiligen Institutionen. Dort gibt es beispielsweise die Möglichkeit, hinter die Kulissen des Museumsbetriebs zu schauen, der natürlich trotz ausbleibender Besucher:innen weiterläuft. So liefert die Zeche Zollern mit einem Augenzwinkern regelmäßige Updates aus der „Geisterzeche“.
Einblicke in den Alltag von Gebäuderestauratoren oder Museologen bietet das LWL-Freilichtmuseum Detmold auf Instagram und Facebook. Außerdem hält das Freilichtmuseum ab der kommenden Woche in Kooperation mit dem LWL-Medienzentrum noch ein ganz besonders Angebot bereit, über das wir hier natürlich zu gegebener Zeit berichten. So viel sei schon jetzt verraten: Die Eröffnung der Sonderausstellung "Erzähl mir was vom Pferd!" muss in diesem Jahr zwar leider verschoben werden; Geschichten #vompferd bringen wir ihnen aber trotzdem nach Hause.
Schließlich beeindruckt die Henrichshütte Hattingen auf ihrem Facebook-Kanal aktuell mit historischen Fotografien und nimmt die virtuellen Besucher:innen mit auf eine Reise in die Vergangenheit.
Doch auch außerhalb des LWL halten Museen ihre Follower:innen über Social Media bei Laune. Das Landesmuseum für Vorgeschichte Halle stellt auf Instagram mit dem #ObjektdesTages regelmäßig ein bestimmtes Exponat aus seiner Sammlung vor und liefert zusätzlich interessantes Hintergrundwissen über die Ausstellungsstücke. Vorgestellt wurde unter anderem bereits das „heimliche Wahrzeichen“ und der Publikumsliebling des Museums: das Skelett eines Mammuts aus der Saale-Kaltzeit.
Ähnlich verfährt das Lippische Landesmuseum. Hier stellen Mitarbeiter:innen über die sozialen Medien täglich ihr ganz persönliches Lieblingsobjekt vor.
Partizipative Formate
Da sich die Einrichtungen ihren Besucher:innen momentan nur im virtuellen Raum nähern können, muss auch der Austausch hierher verlagert werden. Unter Hashtags wie #wünschdirwas oder #wunschzeit werden Follower:innen daher aktiv in die Gestaltung kultureller Angebote miteinbezogen.
So erfragen unter anderem die Mitarbeiter:innen des LWL–Museum für Kunst und Kultur regelmäßig und explizit Themen, die die Abonnent:innen interessieren, um ihren Content auf die Bedürfnisse der virtuellen Besucher:innen abzustimmen. Bis zum 04. April läuft – initiiert vom Museum – über Social Media außerdem eine Challenge, bei der Follower:innen ein Kunstwerk aus dem Museum nachstellen können und die Chance auf den Gewinn einer LWL-Museumskarte haben.
Die Westfälischen Salzwelten, ein Museum der Region, in dem sich alles rund um den Rohstoff Salz dreht – lädt Interessierte zum Experimentieren ein. Über Facebook oder Instagram kann eine Anleitung zu einem vorgestellten Experiment aufgerufen und selbst ausprobiert werden.
Ferner wird besonders Schüler:innen, zum Beispiel über die Plattform Industriekultur Ruhr, eine bunte Bilderreise durch das Ruhrgebiet angeboten. An jedem Schultag kann ein Industriestandort als Ausmalbild heruntergeladen werden. Die Bilder können dann wieder eingereicht werden – mit der Chance einer anschließenden Veröffentlichung.
Natürlich können Interessierte auch an internationalen Wettbewerben teilnehmen: Das Museum der zeitgenössischen Kunst The Glucksman aus Cork, Irland ruft über Facebook, Twitter, Instagram oder die Museumswebsite zu mehr #CreativityatHome auf. Die Aufgabenstellungen reichen dabei vom Interpretieren einzelner Kunstwerke, bis hin zum Erstellen eines eigenen Werkes. Die Ergebnisse können nach Fertigstellung über E-Mail oder die Social Media-Kanäle an das Museum geschickt werden.
Virtuelle Führungen
Ebenso beliebt bei Einrichtungen sind in dieser Zeit virtuelle Ausstellungsführungen. So gewährt die Villa ten Hompel in Münster einen Einblick in ihre Dauerausstellung „Geschichte – Gewalt – Gewissen“. Dabei widmen sich die Mitarbeiter:innen jeweils unterschiedlichen Ausstellungsbereichen und stellen diese in bis zu neunzig–sekündigen Videos vor. Über die Website, den Facebook-Account oder den YouTube-Kanal des Denkortes sind diese einsehbar.
Das LWL-Archäologiemuseum Herne bietet, ähnlich der Villa ten Hompel, über YouTube Online-Führung zu ihrer Sonderausstellung „Pest!“ an. Mit Hilfe kurzer Videos bringen die Mitarbeiter:innen die „Pest auf Sendung“. Dabei werden auch häufig gestellte Fragen beantwortet, beispielsweise, ob es den sogenannten „Schnabeldoktor“ wirklich gab und was es mit den Masken der Pestärzte auf sich hatte.
Auf dem YouTube-Kanal des LWL-Römermuseum in Haltern am See lassen sich unter dem Titel „Römer allein zu Haus“ wiederum Einblicke in die Ausstellung gewinnen sowie interessante Fakten und Hintergrundinformationen rund um das Thema Römer abrufen.
Noch einen Schritt weiter geht das Historische Museum Bielefeld: Interessierte können sich dort zu bestimmten Terminen online „treffen“ und über einen Stream an Live-Führungen teilnehmen. Auf diese Weise kommen die Expert:innen in Echtzeit in die eigenen vier Wände.
Optimistisch in die Zukunft
Die Auswirkungen der Pandemie stellen derzeit alle Kultursparten vor große Herausforderungen. Auch im Theater- und Musikbereich werden Ersatzprogramme entwickelt, Online-Livestreams der Elbphilharmonie oder der bayerischen Staatsoper sind über die entsprechenden Websites verfügbar, zu Literaturgesprächen lud das Bruchwerk Theater Siegen – auch über einen Livestream – ein und Musiker:innen, wie der Pianist Igor Levit, streamen Konzerte von zuhause aus über Social Media-Plattformen. Schließlich finden auch Seminare und Veranstaltungen als Webinare statt, so unter anderem Teile der Kulturakademie – ein Weiterbildungsangebot des Kulturbüros Münsterland.
Richtet man den Blick auf das, was die regionalen und überregionalen Kultureinrichtung bisher schon auf die Beine gestellt haben, ist man im Hinblick auf die Kulturvermittlung der nächsten Wochen optimistisch gestimmt. Auch in Zeiten wie diesen nehmen die Institutionen ihren Vermittlungsauftrag ernst. Innovative Ideen sind jetzt umso gefragter. Für die digitalen Kulturvermittlung hält die Krise letzten Endes auch Chancen bereit.
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