KULTUR
Innovative Formen medialer Kulturvermittlung
BEWEGT
In unserem letzten Artikel haben wir gemeinsam mit Museumsleiterin Dr. Doreen Mölders aus dem LWL-Museum für Archäologie einen Blick auf das Verbundprojekt „Öffne die Blackbox Archäologie“ geworfen. Das Blackbox-Spiel „Jo’s memory“, das im Rahmen des Projekts entstanden ist, ist jedoch nicht der einzige Versuch, Wissensvermittlung in Herne mit Hilfe digitaler Anwendungen innovativ zu denken. Auch die Nutzung holografischer Vitrinen und geisterhafter Projektionen in der Dauerausstellung des Museums sorgen bei den Besucher:innen für staunen.
„Holografische Vitrinen“ – Animationen zum Herstellungsprozess von Exponaten
Dr. Susanne Jülich, stellvertretende Museumsleiterin, hat uns erklärt, was es mit den sogenannten Holovitrinen auf sich hat: „Wir zeigen keine echten Holografien, sondern wir arbeiten mit dem Theatertrick Pepper’s ghost, bei dem auf einem halbtransparenten Spiegel eine Animation projiziert wird. Dieser Spiegel wird bei uns quasi in die Vitrine ‚gestellt‘. Sie sehen in dieser Vitrine das Original und direkt neben dem Original läuft eine scheinbar dreidimensionale Animation, die dann als Holografie wahrgenommen wird.“ Die Vitrinen enthalten archäologische Exponate aus unterschiedlichen Zeitaltern von der Steinzeit bis zur Frühen Neuzeit. Darunter sind ein steinerner Faustkeil aus der Altsteinzeit, ein bronzener Wendelhalsring aus der Eisenzeit, eine römische Tonlampe aus der Römerzeit, eine goldene Fibel aus dem frühen Mittelalter und ein venezianisches Glas aus der Frühen Neuzeit.
In den Animationen wird der Herstellungsprozess des jeweiligen Exponats dargestellt. Die Besucher:innen können beobachten, wie aus „der Feuersteinknolle ein Faustkeil entsteht, wo man hinschlagen muss, wie der handwerkliche Prozess aussieht, wie die Einzelteile von einer goldenen Fibel hergestellt werden, wie sie zusammengelötet werden“, so Jülich. Zusätzlich zum handwerklichen Prozess werden in die Animationen kurze erklärende Textpassagen zu den einzelnen Gegenständen und Herstellungstechniken eingeschoben.
Insgesamt wurden in den letzten zehn Jahren fünf derartige Holovitrinen für das Museum angeschafft. Die Vitrine, in der Besucher:innen die Herstellung des Faustkeils in der Altsteinzeit beobachten können, wurde als erste in Betrieb genommen, nach und nach folgten weitere.
Die Vitrinen sind durch den holografischen Charakter der Animationen nicht nur ein optisches Highlight in der Ausstellung. „Durch sie können die Besucher:innen auch mehr Informationen zu dem Objekt bekommen und sehen: wie ist das hergestellt worden. Dadurch generieren sie auch ein ganz anderes Gefühl, eine andere Wertschätzung für das Objekt, denn die in den Animationen dargestellten Herstellungstechniken sind in der Regel sehr kompliziert und zur Umsetzung bedarf es ein hohes Sachvermögen, Sachkenntnisse, Erfahrungswissen und besondere Fähigkeiten“, erklärt Jülich die Wirkung der Vitrinen auf die Besucher:innen.
Die Idee zu den Holovitrinen sei ihr ihr bei einer Museumsmesse gekommen, die mittlerweile zehn Jahre zurückliege. Dort wurde eine holografische Vitrine ausgestellt, die den Prozess der Fossilisation eines Quastenflossers zeigte. Zu sehen war, wie gerade ein Quastenflosser starb und einsedimentiert wurde. In der Vitrine selbst lag ein kleines Stückchen Stein mit einem Fischskelett darin. „Das war für mich total faszinierend, weil – ähnlich wie in der Archäologie – ist das in der Paläontologie ein hochkomplexer Prozess. Wenn ich den meinen Besuchenden erklären möchte, brauche ich dafür wirklich lange, muss viele Worte finden, ich muss viele Dinge erklären und beschreiben und das kann ich mit Bildern viel viel einfacher tun. Diese Animationen sind nicht nur optisch wunderschön, sondern sie erzählen auch den Herstellungsprozess in einer leicht verständlichen Art und Weise, sodass jeder begreifen kann, was da passiert.“
„Die Geister der Vergangenheit“ – AR-Projektionen1 in der Dauerausstellung
Auch die „Geister der Vergangenheit“ sollen den Besucher:innen helfen, sich die Ausstellungsgegenstände besser vorstellen zu können: Über eine App lassen sich an archäologische Grabstätten per 3D-Animation Figuren aus vergangenen Jahrhunderten in die Dauerausstellung projizieren. Auf diese Weise sollen sich die Besucher:innen besser vorstellen können, was die Archäologi:nnen als Expert:innen in den dargestellten Exponaten sehen. Jülich erklärt das wie folgt: „Wenn ich ein Skelett sehe oder ein Grab sehe, dann formt sich bei mir im Kopf sofort ein bestimmtes Bild als Archäologin. Ich sehe, wo der Schmuck liegt, ich sehe was da drin liegt. Dann hab‘ ich so die Idee, was hat die Person angehabt, wie hat sie das vielleicht getragen und all diese Dinge passieren ja bei den Laien nicht. Die sehen […], da ist ein Grab und da liegen Sachen drin und woher wollen die das alles wissen. Und um einfach diesen Blick, den ich als Archäologin habe, den Besucher:innen auch zu schenken, hatten wir die Idee, dass wir das [...| digital machen. Das wir quasi den Besucher:innen in Form ihres Geräts [Mobiles Endgerät, Anm. der Redaktion| eine Brille vor die Nase halten, damit sie das sehen, was ich auch sehen kann.“
Dies ist auch der Grund, weshalb die „Geister der Vergangenheit“ immer in direkter Nähe zu einem Fundkomplex projiziert werden können. So ist in der Ausstellung beispielsweise das Skelett einer jungen Bäuerin zu sehen, deren Knochen darauf hinweisen, dass die junge Frau viel gekniet hat, wodurch die Archäolog:innen die Vermutung haben, dass sie viel Mehl auf einem Mahlstein gemahlen haben muss. Über die App wird der „Geist“ der jungen Frau nun in kniender Position neben das Grab projiziert und die Besucher:innen können ihr beim Mehlmahlen zuschauen.
Die animierten Figuren und die holografischen Animationen in den Vitrinen üben bei den Besucher:innen des Museums eine große Faszination aus. Sie ergänzen die Ausstellung auf eine Art und Weise, die es den Betrachter:innen viel leichter macht, den Blick der Archäolog:innen einzunehmen. „Dieser Blick, den wir als Archäolog:innen haben, tut sich mit einem Mal für diese Besuchenden auf. Das Schöne dabei ist, dass es eben auch im Kontext ist, dass es nicht nur einfach irgendeine Animation ist, die man sieht, sondern diese Animation wirklich mit dem Fund, der daneben liegt, in Kontakt steht“, resümiert Jülich.
Ausblick
Das LWL-Museum für Archäologie in Herne hat in den nächsten Jahren noch weitere spannende Projekte geplant. In der Dauerausstellung werden alte Infostationen technisch und inhaltlich neugestaltet. Außerdem wird ein digitaler Ausstellungsraum erstellt, in dem die Migrationsgeschichte ausgewählter Objekte erzählt wird. Dabei wird unter anderem untersucht, wie, durch wen und weshalb die Objekte in das Museum gelangt sind. Parallel dazu gibt es das Projekt „Your story matters“ (dt.: „Deine Geschichte zählt“), das Menschen die Möglichkeit gibt, ihre eigene Migrationsgeschichte mit persönlichen Gegenständen zu erzählen. Die Ergebnisse können anschließend auch online abgerufen werden.
1 Das Projekt wurde auf unserem Kulturbrunch 2020 vorgestellt. Der Tagungsbericht dazu ist hier zu finden.
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