Podcasts – Ein Must-Have für jede Kulturinstitution?

23.06.2021 Katharina Hauck

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Mittlerweile gibt es sie zu jedem erdenklichen Thema und in allen möglichen Formen. Podcasts sind in den letzten Monaten deutschlandweit aus dem Boden geschossen. Das Format hat es aus der Nische geschafft und scheint ein neues Trendmedium zu sein. Das rührt auch daher, dass jede:r ohne großen Aufwand und viel technisches Equipment einen eigenen Podcast starten kann. Die coronabedingte Lockdown-Situation hat dem Podcasting zudem zum Aufschwung verholfen. Sich nicht mehr mit Menschen vor Ort in Person treffen zu können, hat dafür gesorgt, dass andere Formen des (vermeintlichen) Kontaktes in den Vordergrund getreten sind. Und Podcasting war das Format, das den Menschen in Zeiten sozialer Distanz ein Gefühl von Nähe vermitteln konnte. Es bot Raum für Gespräche, Emotionen und Ablenkung. Deshalb ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass im Jahr 2020 ein starkes Wachstum in der Podcast-Branche registriert wurde. Wöchentlich wurden ca. 17.000 neue Podcasts weltweit initiiert.1 In Deutschland hörten in diesem Jahr mehr als 10 Millionen Deutsche ab dem Alter von 14 Jahren aktiv Podcasts. Attraktiv an der Branche ist vor allem, dass viele Podcasts unentgeltlich zugänglich sind und es mittlerweile eine große Auswahl an Themen gibt.

Die Geschichte des Podcastings reicht bis in die Anfangsjahre der 2000er zurück. Zu Beginn hießen die abrufbaren Audiospuren noch Audioblogging, bis sich schließlich das Kofferwort Podcast entwickelte – zusammengesetzt aus den beiden englischen Begriffen iPod2 und Broadcast3. Die Wortverknüpfung soll auf das flexible Streamen4 der zumeist regelmäßig und als Serie erscheinenden Audiodatei anspielen. Dazu ist aber längst kein iPod mehr notwendig. Auf Podcasts lässt sich über alle internetfähigen Geräte wie Smartphones, Tablets oder Notebooks per App oder Internet-Websites zugreifen. Nach seinem erstmaligen Auftreten verlor das Konzept Podcast zunächst an Aufmerksamkeit. Seit einigen Jahren herrscht aber wieder Aufwind in der Podcast-Branche, mit einer mittlerweile stark steigenden Tendenz. Unternehmen wie Spotify, SoundCloud oder Podimo haben die Möglichkeiten von Podcasting in der Gesellschaft längst für sich entdeckt und eigene Plattformen zum Streamen eingerichtet. Die Sparte Podcast umfasst dabei eine große Spannbreite an Genres, die von Comedy und Unterhaltung, Wissen, Nachrichten und Politik, Lifestyle und Gesundheit, Kultur, Gaming, Sport bis hin zu Business und Technologie reichen. Neben den Genres kann sich auch die Art und Weise wie Podcasts funktionieren voneinander unterscheiden. Sie können öffentlich dokumentierte Alltagsgespräche zwischen Freund:innen sein, Einblicke in den Alltag oder die Gedanken bekannter Persönlichkeiten gewähren, Wissen und Expertise vermitteln, aktuelle Nachrichten besprechen oder sich bestimmten Nischenthemen widmen. Dabei können sie sich im Interview-Format bewegen, als Dialog- oder Monolog-Format aufgebaut sein und sich diverser Sound-Effekte und Einspieler bedienen.

 

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Potentiale des Podcastings

Das Podcast-Format zeichnet sich durch seine leichte Zugänglichkeit aus. Denn Podcaster:innen bedienen sich meist niederschwelliger Alltagssprache, sodass ihre Inhalte meist ohne großen Konzentrationsaufwand zugänglich sind und in der Regel nebenbei gehört werden können.  Podcasting lässt die alte Tätigkeit des Zuhörens wieder aufleben und spricht damit einen uralten Sinn der Menschen an.5 Infolgedessen bietet das Medium einen dramaturgischen Spannungsbogen an, dem leicht zu folgen ist – auch deshalb, weil Podcasts im Gegensatz zu den meisten Hörbüchern unmittelbar fürs Hören produziert werden.6 Beim Zuhören kann auch das Display mal ausgeschaltet werden, das bei den meisten Menschen mittlerweile einen Großteil des Alltags prägt. In einem immer schnelllebiger werdenden Zeitalter kann das Medium so auch eine mobile Ruheoase bieten, in der die Hörer:innen sich tiefer auf ein Thema einlassen können. Kommunikationswissenschaftler Oliver Zöllner erkennt in unserer Gesellschaft sogar ein tiefes Bedürfnis danach: „Musik hören ist eher zu einer Nebenbei-Tätigkeit geworden. Wir haben dadurch eine neue Sehnsucht nach dem gesprochenen Wort entwickelt. Es ist eine Rückbesinnung.“7 Podcast können eine ganz bestimmte Atmosphäre vermitteln. Die Hörer:innen haben teilweise das Gefühl vor Ort dabei zu sein und am Gespräch zu partizipieren. Das unterscheidet das Hör-Format auch von Video-Formaten. Durch die verschiedenen Formen der Podcast-Gestaltung können sich Podcaster:innen kreativ austoben und ihr eigenes Format individuell gestalten. So können bei einer entspannten Gesprächsatmosphäre, spannender Gestaltung und charismatischer Podcast-Hosts Menschen auf auditive Art und Weise in neue Themenfelder eintauchen.

 

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Podcasting als innovatives Kulturvermittlungsformat

„Das Spannende am Medium Podcast ist, dass es prinzipiell für alle ist, die Geschichten erzählen und Nachrichten verbreiten wollen.“8

Darauf setzen mittlerweile die verschiedensten Gesellschaftsbereiche – auch auf professioneller Ebene. Durch das Wachstum der Podcast-Branche differenzieren sich einzelne Themenfelder immer weiter aus und selbst die kleinsten Nischen werden besetzt. Auch im Kulturbereich ist das Podcasting angekommen – immer mehr Museen und Kulturstätten bedienen sich des Formats. Kulturinstitutionen podcasten gewöhnlich im Rahmen ihres spezifischen Themenangebots. Dabei kommen verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung in Frage. ‚Making-of‘-Formate bieten den Hörer:innen einen Blick hinter die Kulissen des eigenen Hauses. So kann bspw. ein Museum auf eine Art und Weise erlebt werden, die den Besucher:innen vor Ort nicht offenbart wird. Der Podcast kann so als Ergänzung des Museumsbesuchs fungieren und Hintergrundinformationen zur Institution, den Exponaten oder der spezifischen Ausstellung zugänglich machen. Ein Beispiel hierfür ist der Podcast "Foyer-Gespräche" des LWL-Museums für Kunst und Kultur aus Münster. Als Podcast-Host führt Kunstvermittlerin Inès von Patow Gespräche mit den Kurator:innen des Museums, gibt Einblicke in die Museumsarbeit und nimmt die Hörer:innen mit in die Welt hinter die Kulissen. Auch der preisgekrönte Podcast „Beats & Bones“ lässt die Abonnent:innen in die Welt des Museums für Naturkunde in Berlin eintauchen. Der Moderator Lukas Klaschinski präsentiert den Hörer:innen Besonderheiten der Sammlungen oder Forschungslabors des Museums, trifft Expert:innen und gibt Einblicke in die spannende Welt der Natur. Beats & Bones wurde 2021 der Deutsche Hörbuchpreis sowie der DigAMus-Award 2020 in der Kategorie Podcasts verliehen.
Als weiterer Podcast-Schwerpunkt kann die Vermittlung der eigenen Museumsexpertise fungieren. So können Interessierte durch das auditive Medium auch außerhalb des Hauses in das Museumsthema eintauchen ohne vor Ort gewesen zu sein. Podcasting kann zum Ausbau eines inklusiven Zugangs zu Kultur und zur zunehmenden Standortungebundenheit von Wissen beitragen, welche sich in unserem Zeitalter abzeichnet. Mit „Das ist Kunst“ schlagen die Deichtorhallen in Hamburg genau diesen Weg ein und geben Einblicke in ihre Ausstellungen. Dabei setzt sich die Podcast-Moderatorin Friederike Herr intensiv mit den künstlerischen Werken auseinander und taucht in die Welt einzelner Exponate und deren Erschaffer:innen ein. 
Eine weitere Möglichkeit Podcasts in Kulturinstitutionen zu nutzen ist das Produzieren einer Podcast-Serie unter einem bestimmten Thema, dass mit dem eigenen Haus oder einer spezifischen Ausstellung verbunden wird. So begibt sich der Journalist Johannes Nichelmann im Städel Museum in Frankfurt am Main bspw. auf die Suche nach dem letzten großen Porträt von Vincent van Gogh – Das „Bildnis des Dr. Gachet“. Der fünfteilige Podcast „Finding van Gogh“ nimmt die Hörer:innen mit auf die Reise in die Geschichte eines Gemäldes, gewährt Einblicke in Gespräche mit Expert:innen und Zeitzeug:innen und offenbart Hintergrundinformationen rund um das geheimnisvolle Porträt. Der Podcast entstand parallel zur Ausstellung ‚Making van Gogh‘ und funktioniert zwar unabhängig von dieser für sich selbst, fungiert aber gleichzeitig als Distributionsmedium und Marketinginstrument für die Ausstellung. Kultur-Podcasts können aber auch unabhängig von einer spezifischen Kulturinstitution und deren inhaltlichen Schwerpunkten funktionieren und gleichzeitig wichtige Themen behandeln. So setzt sich das Format „Erinnern mit Games“ in einer Serie von sechs Folgen beispielsweise mit der Themenverknüpfung Erinnerungskultur und Gaming auseinander.9 Im Zuge dessen sprechen die Hosts Marcus Richter und Dennis Kogel mit geladenen Gäst:innen aus der Gamesbranche sowie mit Expert:innen der Erinnerungskultur und nähern sich wichtigen inhaltlichen Fragestellungen an. Ein weiteres Beispiel ist der Podcast „Zeitgeschichte(n)“ aus dem Haus der Geschichte in Bonn, welcher einen Einblick in verschiedenste zeitgeschichtliche Themen bietet. Die Folgen sind eher kurz gehalten, bieten aber spannende Informationen rund um einzelne Themen an. Und schließlich gibt das Medium Podcast auch ganz spezifischen Themen-Nischen frei. So entstand in den letzten Wochen auch der Podcast „Rare Books – Care Looks“ in Münster, in welchem der Antiquar Michael Solder und die Schriftstellerin Sabine Scho nicht nur den Inhalt, sondern auch die Gestaltung seltener alter Bücher genauer in den Blick nehmen und dabei in deren Welt und die Geschichten dahinter eintauchen.
 

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Kultur-Podcasts – Ein Must-Have für jede Kulturinstitution?

Sollte nun jedes Museum, jedes Kulturhaus einen eigenen Podcast initiieren? So pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Podcasts können sicherlich immer ein sinnvoller Zusatz zur eigenen inhaltlichen Ausrichtung sein. Aber in erster Linie müssen die Kapazitäten und Ressourcen im eigenen Haus für eine regelmäßige Produktion gegeben sein und mit den eigenen Ansprüchen abgeglichen werden. Eine Podcast-Grundausstattung muss nicht teuer sein aber ein gutes Mikro ist unabhängig von Aufbau und Inhalt für das Hörerlebnis essenziell und kann Auswirkungen auf die Abonnent:innenzahl haben. Denn oft entscheidet sich schon nach den ersten Sekunden, ob eine Podcastfolge weiter angehört wird oder nicht. Auch die personellen Ressourcen müssen geklärt und der Zeitaufwand von vornherein kalkuliert werden. Denn Podcast-Folgen müssen neben der Produktion auch noch beworben werden. Zudem kann sich je nach verfolgtem Ziel auch das Format unterscheiden: Soll der Podcast als kurzlebiges Marketinginstrument eines bestimmten Themas dienen? Ist der Podcast auf lange Sicht als Begleitmedium angelegt? Will er eine neue Zielgruppe ansprechen oder nur ein allgemeines Begleitangebot schaffen? Letztendlich gibt es kein Rezept für den perfekten Podcast aber es existieren viele Beratungsangebote, Webinare, Websites, etc. aus welchen sich Expertise angeeignet werden kann. Sollten einer Kultureinrichtung diese freien Angebote nicht ausreichen, kann auch eine Beratung durch externe Expert*innen hilfreich sein, wenn die finanziellen Kapazitäten zur Verfügung stehen.

Podcasts eignen sich durch ihren großen Möglichkeitsspielraum und einfache, ortsunabhängige Zugänglichkeit sehr gut als Kulturvermittlungsformate. Wie das Medium kreativ und sinnvoll eingesetzt wird, bleibt schließlich den einzelnen Häusern überlassen. Doch der florierende Podcast-Markt zeigt, dass das Format bei richtiger Umsetzung gut ankommt und den Ton der Zeit trifft. Also warum nicht einen eigenen Kultur- oder Museums-Podcast starten, genug positive Beispiele existieren bereits.



 

1Vgl. Schwegler, Petra (2021, 8. Februar): In der Corona-Krise floriert der Podcast. In: Medientage München Blog. URL: https://blog.medientage.de/in-der-corona-krise-floriert-der-podcast (Letzter Aufruf 23.06.2021).

2Ein iPod ist ein portables Abspielmedium für Audiodateien der Firma Apple.

3Das Wort Broadcast meint „Sendung“.

4Streamen meint eine Audiodatei aus dem Internet laden und anhören.

5 Vgl. Winkler, Sabine (2019, 23. Dezember): Warum Podcasts zurzeit so erfolgreich sind. In: Welt.de URL: https://www.welt.de/kmpkt/article204165490/Das-steckt-hinter-der-Faszination-Podcast.html (Letzter Aufruf 23.06.2021).

6Vgl. Verlag Werben & Verkaufen (2020, 24. Januar): Die neue Sehnsucht nach substanziellen Inhalten - mit Nicolaus Berlin. Podcast: "Die digitale Viertelstunde."

7Ebd.

8Winkler, Sabine (2019, 23. Dezember): Warum Podcasts zurzeit so erfolgreich sind. In: Welt.de URL: https://www.welt.de/kmpkt/article204165490/Das-steckt-hinter-der-Faszination-Podcast.html (Letzter Aufruf 23.06.2021).

9Weitere Informationen zu der Themensymbiose haben wir hier in einem Artikel gesammelt.