KULTUR
Innovative Formen medialer Kulturvermittlung
BEWEGT
Die Kolonisierung der menschlichen Lebenswelt durch das Digitale hat in den letzten Jahrzehnten immer weiter an Fahrt gewonnen. Längst sind wir zu „Digitalen Subjekten“1 geworden, für die die Nutzung des Internets und diverser Online-Netzwerke, Apps, Plattformen, usf. im Alltag unentbehrlich geworden ist. Aber nicht nur für die persönliche Vernetzung einzelner User:innen ist das Internet ein essentieller Kommunikationsraum geworden, auch Unternehmen und Institutionen aller Sparten sind mittlerweile dazu angehalten sich im digitalen Raum eine Präsenz aufzubauen, wenn sie ihre Zielgruppen erreichen wollen. Und auch Museen sowie Kulturinstitutionen spüren diesen Druck seit einigen Jahren, sehen aber auch ihre Chancen.
Nun sind es insbesondere Soziale Plattformen (auch Soziale Medien genannt), die einen großen Teil an Internetnutzer:innen anziehen und vielfältige Diskurse ermöglichen. Infolgedessen ist es nicht verwunderlich, dass auch Kulturinstitutionen sich diese Orte zunutze machen, um im Zuge ihrer Vermittlungsarbeit möglichst viele Menschen zu erreichen. Doch die Sozialen Medien unreflektiert zu nutzen, ohne sich mit den Hintergrundstrukturen dieser Plattformen vertraut zu machen, wäre ein Fehler.
Der Kunsthistoriker Lukas Fuchsgruber hat dieses Problem in einem Artikel der Online-Plattform Kulturmanagement.de auf den Punkt gebracht: Wir müssen „über Datenethik in der digitalen Kulturvermittlung reden.“2 Denn die Dynamiken auf Social Media Plattformen sind alles andere als irrelevant und Kulturinstitutionen und Museen sollten wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie diese Kanäle für ihre Vermittlungsarbeit nutzen wollen.
Digitale Ethik
Das zeigt: Den Sozialen Plattformen liegen Ziele und Werte zugrunde, die auf ein Sammeln von verwertbaren Daten der Nutzer:innen durch möglichst viel Interaktion auf den vernetzten Plattformen aufbauen. Dies wirft Fragen der digitalen Ethik auf, denen sich auch Kulturinstitutionen stellen sollten. Lukas Fuchsgruber sieht die Grundsätze von Museen und Kulturhäusern in einem „sehr widersprüchlichen Verhältnis zu dem, was auf Social Media Plattformen passiert.“5 Für ihn sind letztere „Datensilos, die abgetrennt vom Rest des Internets ihre eigene digitalen Objekte beherbergen – ohne eine Möglichkeit präziser Beschreibung und Verknüpfung,“6 welche für kulturelle Daten eigentlich essentiell ist. Den Umgang der meisten Museen mit diesen Plattformen hält er für naiv. Kulturinstitutionen verfolgen kollektive Grundsätze und Ziele, die sich mit denen von Social Media Plattformen nicht vereinbaren lassen. Diese liegen im Sammeln und in der Vermittlungsarbeit, die Sozialen Medien sind dagegen auf das Sammeln biometrischer Daten ausgelegt und verfolgen somit eine vollkommen andere Logik.
Fragen der Digitalen Ethik sind noch relativ jung, werden aber mit den vielfältigen Möglichkeiten der Internetnutzung immer relevanter. Deshalb wurde 2013 an der Hochschule der Medien in Stuttgart das Institut für Digitale Ethik gegründet, das sich mit eben diesen Aspekten auseinandersetzt und Lehrmaterialien über Digitale Ethik und Medienkompetenz7 für Schulen und Jugendarbeit zur Verfügung stellt. Damit sollen Kinder von klein auf mit dem Thema Datenschutz in Berührung kommen und einem sensiblen Umgang mit dem Internet erlernen. Denn mit den Plattformen der Sozialen Medien treten auch Phänomene wie Cyber-Mobbing oder die Verbreitung von Fake News immer mehr in den Fokus. Instrumente und Maßnahmen gegen diese Strukturen sind auch gegenwärtig noch nicht zur Genüge ausgebaut.
Gerade auch im Zuge des Bildungsauftrags von Kulturinstitutionen und ihrer Vorreiterrolle ist es somit auch eine Aufgabe dieser sich mit der Thematik der digitalen Ethik auseinandersetzen und dies in ihrer Internetpräsenz widerzuspiegeln.
Der gläserne Mensch
Mit dem Smartphone, dem Tablet oder dem Laptop sind wir innerhalb weniger Sekunden und Klicks im Internet. Diese Geräte sind quasi zu unseren unmittelbaren und engsten Begleitern geworden. Und mit wenigen Klicks können wir Einblicke in das eigene Leben gewähren und Content mit anderen teilen – auf Social Media Plattformen wie Facebook, Instagram, Twitter, YouTube oder Messenger Diensten wie WhatsApp und Telegram. Eine revolutionäre Entwicklung. Doch so positiv diese Strukturen auf den ersten Blick erscheinen – die Dynamiken hinter den Plattformen, die Algorithmen derselben und der Umgang mit den Nutzer:innen-Daten verfolgen ganz eigene Ziele.
Wenn wir online auf diesen Plattformen interagieren– teilen wir Informationen über uns. Und diese werden, auch wenn wir das nicht direkt wahrnehmen, von den Plattform-Anbieter:innen gespeichert und dazu genutzt Datenprofile zu erstellen. Die im ersten Moment suggerierte Privatheit unserer Profile ist somit längst nicht so privat wie man annehmen könnte. Auf Grundlage dieser großen Datenspeicher – auch Big Data genannt – können „interessierte Stellen auch über die Social-Media-Firmen hinaus unser Tun und Handeln, unsere Vorlieben, Stimmungen, Meinungen und Aufenthaltsorte nachverfolgen“3. Diese so gesammelten Daten werden unter anderem für Werbe-Algorithmen genutzt und führen dazu, dass Menschen aufgrund ihres Online-Verhaltens bis ins kleinste Detail analysiert werden können: „Der ‚gläserne Mensch‘ wird mehr und mehr zur Realität: IT-Unternehmen können ihre Kunden zunehmend tracken, scoren und deren zukünftiges Verhalten prognostizieren.“4 Social Media-Plattformen sind also auf die Erfassung biometrische Merkmale von Menschen ausgerichtet.
Das rührt auch daher, dass sich diese Plattformen in den Händen weniger Unternehmen befinden und somit eine Monopolstellung einnehmen. Die marktführenden Konzerne sind hierbei Google, Apple, Facebook und Amazon – auch als GAFA abgekürzt.
Perspektiven der digitalen Kulturvermittlung
Das heißt aber nicht, dass sich Kulturinstitutionen vollständig von Sozialen Medien verabschieden müssen, wenn sie sich aus Gründen der digitalen Ethik dagegen entscheiden sollten. Neben den Plattformen der GAFA-Konzerne hat das Internet auch Offene Standards (bspw. Mastodon, Mobilizon, Peertube, ect.) zu bieten, derer sich nur angenommen werden muss. Fuchsgruber fasst die Vorteile dieser Internetstandards wie folgt zusammen: „Offene Standards, das bedeutet, dass Daten in nachvollziehbare Schemata organisiert werden, die so konsistent sind, dass verschiedene Plattformen miteinander kompatibel bleiben. Aber gleichzeitig auch so offen, dass jede Plattform nach eigenen Bedürfnissen Anpassungen vornehmen kann.“8 Vielleicht ist die Zielgruppe in dieser Sparte (noch) nicht ganz so groß wie auf den bekannteren Plattformen, aber das Möglichkeitsspektrum ist in diesen Bereichen dafür mindestens genauso groß ohne, dass sich von den eigenen ethischen Grundsätzen verabschiedet werden muss. Mit ein wenig Verständnis für den digitalen Raum bieten diese eine gute Alternative zu den herkömmlichen Plattformen ohne datenethische Bedenken.
1 Vgl. dazu die Analysen des Soziologen Andreas Reckwitz. Reckwitz, Andreas (2018): Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne. Berlin: Suhrkamp.
2 Fuchsgruber, Lukas (2021): Digitale Vermittlung ohne Facebook und Co. In: Kulturmanagement.net URL: https://www.kulturmanagement.net/Themen/Social-Media-Arbeit-von-Kulturinstitutionen-Digitale-Vermittlung-ohne-Facebook-und-Co,4393.
3 Artikel Zöllner, Oliver (2018): Social Media zu sozialen Medien machen. In: boell.de URL: https://www.boell.de/de/2018/01/25/social-media-zu-sozialen-medien-machen.
4 Ebd.
5 Fuchsgruber 2021
6 Ebd.
7 Medienkompetenz = die Fähigkeit Medien, mediales Handeln und dessen Folgen einordnen zu können bzw. der verantwortungsbewusste Umgang mit diesen bzw. Zitat Zukunftsinstitut
8 Fuchsgruber 2021. In seinem Artikel zeigt Lukas Fuchsgruber zusätzlich auch noch konkrete Beispiele auf, wie eine gelungene Präsenz von Kulturinstitutionen im Internet mit der Nutzung Offener Standards funktionieren kann.
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